1.1.
Aus Ostpreußischer Vergangenheit
Aus dem kleinen Schollgehnen (einstiges Ostpreußen, südlich von Braunsberg, heute polnisch: Braniewo) kommend, richten sich Paul Griel und seine Frau Magdalena in Braunsberg ein kleines Geschäft her. Sie arbeiten hart und fleißig und finden ihr redliches Auskommen. Braunsberg als Umschlagplatz zwischen dem Seehandel und dem ostpreußischen Hinterland liegt günstig. Besonders zählt da manch günstiger Handel mit den Haff-Fischern.
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Als am Sonntag dem 12. Januar 1748 Ignatius geboren wird, ist dieses Ereignis gleich ein doppelter Sonntag, denn es geht dem jungen Unternehmen ausgesprochen gut. Jetzt, mit diesem Kind, fehlt in der Familie eigentlich nichts mehr.
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Ignatius findet bald einen Platz im väterlichen Geschäft und heiratet am
Montag dem 20. November 1780 die damals 21-jährige Katharina Robitzki aus Schollgehnen, eine Tochter des Andreas Robitzki aus Plaßwich, südlich von Braunsberg und unweit von Schollgehnen. Die beiden jungen Leute streben fleißig und ausdauernd dem von den Eltern eingeschlagenen Wege nach. Eine ganze Reihe Kinder werden geboren und schließlich, als Letzte, Elisabeth Greil (fortan schreibt die Familie sich "Greil"). Am Sonntag dem 10. November 1792 wird Elisabeth in der katholischen St-Katharinen-Kirche zu Braunsberg getauft.
Elisabeth ist bald in dem geschäftigen Leben des Hauses, nach den älteren Geschwistern, das von vielen erzogene Jüngste. Ihr bleibt in dieser Zeit nur wenig Raum, eigene Erfahrungen zu sammeln oder ruhig über Erlebtes nachzudenken. Die Zeit reißt sie vorwärts.
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Im alten Ostpreußen, das eigentlich nur lange, langsame Zeitenläufe kennt, ist die Zeit in der Elisabeth lebt, ungeheuelich schnell geworden. Sie ist unruhig und voller kaum zu ahnender Gefahren. Zwar hat die französische Revolution von 1789 noch keine deutlichen Wellen bis nach Ostpreußen geschlagen. Doch als die Wellen schließlich hinüberwirken, sind sie sogleich von unheildrohenden Kriegsgesängen begleitet. In Frankreich besteigt Napoleon den Thron, und von diesem aus eilt er nun mordend und sengend durch Europa.
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Und dann, 1807, ist er da- Braunsberg, und alles, was hier Halt der Greil Familie bedeutet, geht dahin. Franzosen schlagen Elisabeths Vater so brutal zusammen, daß er schließlich nach qualvollen Monaten am Sonntag dem 22. November 1807 an Schlagfluß (Rheuma, Gicht) stirbt. Gerade fünfzehnjährig hat Elisabeth ihren Vater verloren - und das in dieser Zeit, wo Mord, Totschlag, Raub, Plünderung und Vergewaltigung Tag für Tag das Leben gefährden.
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Und Napoleon mußte seinen Rückweg antreten. Vor Moskau geschlagen, kehrte seine geschundene Armee nach Westen zurück. Und mit ihr kamen Hunger und Not, Krankheit und Tod: der Tod rafft am Dienstag dem 28. November 1815 Elisabeths Mutter dahin. Sie stirbt 56-jährig unter Krämpfen (worunter man in dieser Zeit wohl die von Napoleons Truppen eingeschleppte Cholera oder aber den Hunger zu verstehen hat). 23-jährig ist Elisabeth nun ohne Eltern. Von den Geschwistern wissen wir nichts. Elisabeths Kindheit ist vom Geschäftsleben geprägt und ihre Jugend vom Krieg: was bleibt uns da, eine junge glückliche Frau zu zeichnen?
1.2.
Karl, der große Greil
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Am Donnerstag dem 17. Januar 1822 wird in der Vorstadt von Braunsberg Karl Greil als Sohn der ledigen Elisabeth Greil geboren. Der Vater des Kindes ist unbekannt. Im katholischen Ermland waren diese Verhältnisse sicher "sehr verwerflich" - aber uns Heutigen stellen sich höchstens Fragen zur sozialen Organisation der Verhältnisse. Kaum mehr wird man darüber "reden" oder gar verurteilen. Das Damalige zu beurteilen fällt uns schwer, da wir doch nur wenig zur Lebenssituation von Elisabeth Greil sagen können. Wir wissen nur, daß ihre Jugend nicht einfach war. Doch was soll's: von Elisabeth hören wir nie wieder. Das drängt uns die Frage auf, ob die so "wohlmeinende" katholische Umwelt sie mied und verwarf - oder warum finden wir nirgends mehr ein Lebenszeichen von ihr. Aber vielleicht war das auch ihr Schicksal, namenlos zu vergehen und nur mit dem einen bestehen zu bleiben: einen Sohn in diese Wett geboren zu haben.
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Elisabeth wurde verziehen und zwar von ihrem eigenen Sohn- Er nannte seine erstgeborene Tochter wieder Elisabeth. Dies dürfen wir wohl als einzigartiges Bekenntnis des Sohnes zu seiner Mutter werten.
Karl besitzt schon früh ein ungeheuerliches Temperament. Er will bald nach der Schule Soldat werden und seinem König als Zahlmeister dienen. In seiner ostpreußischen Heimat, wahrscheinlich im Geschäft seines Großvaters, lernt er das Kaufmannshandwerk (etwa 1836 - 1839), um dann anschließend auf die Wanderschaft zu gehen (etwa ab 1839 - 1842). Sie führt ihn nach Westen. In Westfalen hört er von den legendären Colom'schen Husaren und findet Anschluß bei ihnen.
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Nicht als Zahlmeister, sondern als Unteroffizier der Husaren finden wir ihn 1848/49 zum ersten Mal wieder. Im ersten Feldzug gegen Dänemark hat unser Ahnherr bereits den schwarz-weißen Lanzenwimpel der Mannschaften gegen den weißen mit schwarzem Preußenadler der Unteroffiziere vertauscht.
Karl dient zu diesem Zeitpunkt schon einige Jahre unter der Fahne seines Königs (wahrscheinlich seit 1842).
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Auf dem Rückmarsch von diesem, seinem ersten, Feldzug wird sein Regiment unerwartet in Hamburg gegen Unruhen der dortigen Bevölkerung eingesetzt. Beim Einzug in das neue Quartier in St. Pauli glitzert auf seiner Brust das ihm von seinem König verliehene Militärehrenzeichen Il. Klasse, das auf außerordent|iche Leistungen verweist und von hoher Bedeutung für ihn ist. Karl ist der Stolz seines Regiments, das im Jahre 1815 den Auftrag hatte, Napoleon gefangen zu nehmen, der damals knapp, aber sicher, in englische Gefangenschaft entkam.
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Patrouillenritte sind eine feine Sache, wenn die Bevölkerung einem wohl gesonnen ist und die Mädchen hübsch sind. Auf einem dieser Ritte zwischen Hamburg-Barmbek und Hamburg-Wandsbek entdeckt Karl die Ernestine Meyer und für sie sein Herz! Als Husar ist er schnelle Entscheidungen gewohnt, also nimmt er sie vier Monate später schon mit nach Paderborn. Wann und wo er sie geheiratet hat, steht nirgendwo mehr vermerkt Die alten Militärkirchenbücher gingen in den Wirren der letzten Kriegstage 1945 in Berlin unter. Ernestine stammt aus einer Hamburger Kaufmannsfamilie. Sie ist evangelisch, heiratet aber katholisch, den "Papsthusaren" Karl Greil. ("Papsthusaren" ist der Spitzname für die 8. Husaren, weil dieses Regiment, das im katholischen Paderborn und umzu stationiert ist, fast nur Katholiken in seinen Reihen zählt.)
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Am Freitag dem 26.August 1853 wird in Neuhaus bei Paderborn Anna Elisabeth Friederika Greil geboren. Sie, die Erstgeborene, ist bald die Widerspiegelung des väterlichen Temperaments. Später wird sie die Gattin unseres Ahnherrn Bernard Julius Uphues.

Am Freitag dem 26. August 1853 wird in Neuhaus bei Paderborn Maria Im In dem Jahre 1862, nach zwanzigjähriger Dienstzeit, erhält Karl die Dienstauszeichnung ll. Klasse.
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Aufgabe der Husaren ist es unter anderem, in Kriegszeiten, weitab vom eigentlichen Kampfgeschehen im Hinterland des Feindes Unruhen zu stiften und den Nachschub zu stören. Dieser Aufgabe stellt sich Karl 1864 im erneuten Krieg gegen Dänemark. Die eigentlichen Schlachten spielen sich an der Schlei und nordöstlich von Flensburg um die Insel Asen ab (Kampf um die Düppeler Schanzen und um den Übergang auf die Insel Alsen). Während dieser Zeit vollbringt Karl seine Husarenstücke weitab im Norden. Dort am Lirnjord gibt es keine Orden und Ehrenzeichen, denn dort schaut kein königliches Auge zu. So begnügt sich Karl am Ende dieses Krieges mit der Kriegsgedenkmünze von 1864.
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In der Folgezeit beginnt das Regiment in der Heimat "aus den Nähten zu platzen"- (War das eine Phase verstärkter Aufrüstung oder eine Neustrukturierung aufgrund der Erfahrungen im Feldzug gegen Dänemark?) Es bezieht nun mit dem 3. Eskadron den Standort Wiedenbrück. Karl hatte es in der Zwischenzeit bis zum Sergeanten gebracht. Am neuen Standort wird er nach einem Jahr Wachtmeister. Diese Beförderung ist der königliche Dank für die im dänischen Kriege gezeigten Leistungen.
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Im Jahre 1866, nach kaum zwei Friedensjahren, ruft der König seine Soldaten wieder zu sich. Deutschlands Einigung ist durch Österreich bedroht. In Windeseile geht es hoch zu Roß gegen den Feind. In wenigen Tagen sind Hannover, Hessen, Reuß, Sachsen, Thüringen und Baden besiegt. Dieser Erfolgsritt geht für Karl über Hannover, Göttingen und Heiligenstadt nach Eisenach und von dort über Bad Kissingen nach Aschaffenburg. Dort haben sich die Bayern mit dem Gros ihrer Streitmacht in der Fasanerie verschanzt, während die Österreicher die Stadt selbst besetzt halten. In einigen blutigen Gefechten wird der Feind geworfen, das 8. Husarenregiment aber setzt den fliehenden Österreichern nach und fügt ihnen schwere Verluste zu.
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Am Abend wird in Aschaffenburg biwakiert. Der Kommandeur der Mainarmee, General von Wrangel, zeigt sich von seiner besten Seite: jeder Soldat erhält je eine Flasche Wein für den 14. und 15. Juli und dazu 12 Zigarren. Doch am 15. heißt es für die 6. Husaren schon wieder, in die Sättel zu steigen. Diesmal geht es zur Erkundung gegen Frankfurt am Main. Am 16. Juli wird Frankfurt genommen, über Darmstadt und Tauberbischofsheim geht es weiter nach Würzburg.
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In einem tollkühnen Husarenritt in die vom Feind besetzte Stadt entreißen drei preußische Husaren auf dem Marktplatz von Würzburg den Bewachern österreichischen Offizierspferde drei ihrer wetvollen Tiere. Mit knapper Not entkommen die Preußen mitsamt ihrer Beute. Im Fährboot über den Main übersetzend krümmen sich die drei vor Lachen, und die Österreicher weinen am Ufer vor Wut und Ohnmacht. Die drei Preußen sind Wachtmeister Greil und die Husaren Heck und Stumm.
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Es iäßt sich nicht feststellen, ob unser Ahnherr für seinen Teil an diesem Feldzug Auszeichnungen erhielt- Es scheint aber wahrscheinlich zu sein.
Sicher ist nur, daß er das Erinnerungskreuz "Main-Armee 1866" erhielt.
Während dieses Feldzuges lernt Karl den Rittmeister Hildebrand kennen. Beide sind bald ein Herz und eine Seele. Der Rittmeister hat eine Beförderungssperre hinnehmen müssen, weil er im "Suff' leichtfertig einen Soldaten mit der Schußwaffe verletzte. Karl und sein Freund beschließen gemeinsam, keine Beförderung mehr anzunehmen, wenn nicht auch der Freund eine solche erhalte. Und diese Kumpanei geht noch lustig weiter: Eines Tages lassen sich die Beiden Spezial-Reithosen nähen. In besonderen Beintaschen, rechts und links, tragen sie von nun an auf ihren gemeinsamen Streifzügen stets einen "Riemen Speck und Fusel" bei sich. So fühlen sie sich für manchen Husarenstreich besser gerüstet. "Sie sind gemeinsam in der Kirche und im Suff' meinte Karls Enkel Ernst, als er fast ein Jahrhundert später von diesen Erinnerungen erzählte. (Der geschichtlichen Genauigkeit wegen: es ist unklar, in welchem Regiment der Rittmeister Hildebrand diente, jedenfalls gehörte er nicht zu den 8. Husaren.)
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Der nächste Krieg läßt in dieser Zeit nicht lange auf sich warten, er wird gegen Frankreich geführt. Über Call, Trier, Püttlingen kommt es zu ersten Gefechten bei Völklingen und Forbach. Mit Hurra geht es gegen Metz. Hier zieht sich der Feind in die befestigte Stadt zurück. Die deutschen Armeen, es sind nun nicht mehr nur noch preußische, teilen sich: die Nordarmee schwenkt gegen Paris, die Südarmee geht über Chartillon an der Seine, Dijon, Quingey, Salin bis gegen die Schweizer Grenze. Zuerst jedoch muß Metz genommen werden.
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Bei den einleitenden Gefechten zur Belagerung und späteren Eroberung der Festung Metz wird unser Ahnherr schwer verwundet. Er scheidet am Sonntag dem 14. August 1870 aus der kämpfenden Truppe aus. Am folgenden Tage erst wird er ins Lazarett zurückgenommen. Die Wunde jedoch ist infolge der zu späten Behandlung infiziert, der angeschossene Arm muß amputiert werden.
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Im Lazarett erscheint bald darauf der junge Prinz Wilhelm (später: Kaiser Wilhelm Il.) zu Besuch. Auf des Prinzen Frage, wie es ihm, Karl, gehe, antwortet dieser: "Gut, Königliche Hoheit, nur, Königliche Hoheit, ich habe nichts mehr zum Schnupfen". Prinz Wilhelm soll ihm daraufhin seine silberne Schnupftabakdose vermacht haben.
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Weiterhin erfahren wir aus diesen Tagen von unserem Ahnherrn aus der Regimentsgeschichte:
"Durch allerhöchste Kabinettsordre vom 12. September 1870 erhielten der Regimentskommandeur Arent, der Secondenlieutenant Stumm und der Wachtmeister Greil das Eiserne Kreuz Il. Klasse".
Und darüber hinaus erhält Karl in diesen Tagen den königlich-bayrischen Orden der Goldenen Militärverdienst- und Tapferkeitsmedaille. Es ist zu vermuten, daß Karl diese bedeutende Auszeichnung, in Zusammenhang mit seiner Verwundung, für eine besondere Leistung zugunsten einer bayrischen Militärperson verdiente. Diese Auszeichnung war mit einem lebenslangen Ehrensold und mit einem Begräbnis mit militärischen Ehren verbunden. Außerdem hatte jeder militärische Wachtposten vor dem Träger dieser Medaille Haltung einzunehmen.
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Als der Krieg vorbei ist, kehlt Karl heim. Am 19. Juli 1871, einem Mittwoch,. nachmittags läßt der Eskadronchef noch einmal vor den Toren von Wiedenbrück anhalten. Mit Donnerruf verlangt er nach Karl Greil, Und dann reitet dieser an der Seite seines Einheitsführers zu einem gewaltigen Triumphmarsch in die Stadt ein!
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Und im Hause 132 ist die Freude groß über den heimgekehrten Vater, vier Paar Kinderaugen schauen ihn stolz und glücklich an.
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Bisher hatten wir kaum Zeit, zwischen den Kriegsereignissen auch einen Blick in die Familie zu tun. Jetzt, im Sommer 1871, lernen wir gleich vier Kinder der Familie kennen: Maria Anna Elisabeth Friderika (geb. 1853), dann Karl (geb. 1856), Georg Clemens (geb. 1863), Helene (geb. 1865), und schließlich kommt noch Ernst (geb. 1874) dazu. Der Vater ernährt sie alle und ihre Mutter in dieser Zeit mit seinem Husaren-Wochenlohn von 14,40 RM - es reicht, und es reicht sogar für eine gediegene Ausbildung der Kinder. So wissen wir von Elisabeth, daß sie zwei Fremdsprachen spricht und Musiklehrerin ist. Von Karl erfahren wir, daß er Werkmeister bei Dürrkopp in Bielefeld wird, und von Ernst ist uns bekannt, daß er Postangestellter wird.
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In Wiedenbrück wird Karl zum Original. So sehr hat er sich als gebürtiger Ostpreuße in Westfalen eingelebt, daß er alle Feinheiten und Grobheiten der Menschen dieser Landschaft versteht. Noch weit über seinen Tod hinaus lebt sein Name und die Erinnerung an seine Persönlichkeit im Herzen und im Munde Vieler fort. Als sein Enkel Ernst Uphues zu Beginn dieses Jahrhunderts Wiedenbrück aufsucht, gilt sein stilles Erinnern und Gedenken beim Besuch des Hauses 132 Karl Greil. Stil' steht Ernst vor dem Hause mit der großen Messingklinke, geformt als eine Hand, die einen Stab trägt. Aber in dem Haus wohnen ihm fremde Menschen - und so wagt er nicht, einzutreten.
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Als Kari Greil am Dienstag dem 2. April 1889 aus diesem Leben scheidet, ist das eigentlich noch zu früh. Er hatte sein Leben dem preußischen Soldatentum geopfert, darüber aber kaum Zeit gefunden, Vater seiner Kinder zu sein. Viel zu früh erstarrte er zum steinernen Bild seiner Zeit, zu leerem Formalismus. As er 1874 seine erstgeborene Tochter dem von ihr frei gewählten Manne zuführte, zeigte sich diese ganze Misere. Dennoch, das zeigte sich bald darauf, waren die Entwicklungsmöglichkeiten seiner Persönlichkeit noch nicht erschöpft, Nach dem Abschied vom aktiven Militärdienst, etwa 1875, überwand er seine Starrheit aufgrund vielfältigen Erlebens: 1876 vollzog sich in ihm eine große Wandlung zum Menschlichen, zum Weisen. Nur aus dieser tiefen Wandlung heraus können wir das großartige Bild verstehen, das uns von ihm aus seinen letzten Lebensjahren erhalten ist.
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...und sein Leben war nur Krieg...
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Fast ein Vierteljahrhundert hindurch hat Karl Greil als preußischer Soldat in Kriegen gekämpft - ein unruhiges, unordentliches Leben?!
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...und Orden und Ehrenzeichen gab es - in einer Zeit, die solches liebte...
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Unser Ahnherr verdiente im Verlaufe der verschiedenen Feldzüge seines königlichen Dienstherrn folgende Orden und Ehrenzeichen:
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1848/49 - Militärehrenzeichen Il. - Kl.Preußen
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ca. 1862 - Dienstauszeichnung Il. - Kl. Preußen
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1864 - Feldzugsmedaille 1864 - Preußen u. Österreich
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1866 - Erinnerungskreuz "Main-Armee" - Preußen
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1870/71 - Eisernes Kreuz 2. - Kl Preußen
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Goldene Militär-Verdienst-Tapferkeitsmedaille - Bayern
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Kriegsdenkmünze 1870/71 (für Kombattanten) - Preußen
Bemerkenswert in der Reihe dieser Ehrungen erscheint mit besonders die Bayrische Auszeichnung mit der Goldenen-Militär-und-Tapferkeitsmedaille. Es ist nicht klar und läßt sich auch aus der Regimentsgeschichte nicht rekonstruieren, was unmittelbar zu dieser Auszeichnung führte. Nur das scheint sicher, sie steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Verwundung unseres Ahnherrn. - Diese Medaille wurde vom bayrischen Kurfürsten Carl Theodor am 13. Oktober 1794 "zur Belohnung einer im Kriege erfolgten tapferen Handlung" für die Mannschaften der Kurbayrischen Truppen vom Feldwebel abwärts gestiftet. Mit einem neuen Vorderseitenstempel wurden 1871 insgesamt 133 goldene Medaillen verliehen. Die Einschränkung "für Kurbayrische Truppen“ entfiel. Einer dieser 133 war Karl Greil, und mit dieser Auszeichnung war ihm ein lebenslanger Ehrensold und ein Begräbnis mit militärischen Ehren gesichert. Zudem hatte jeder militärische Wachposten vor dem Träger dieser Medaille Haltung einzunehmen.
1.3.
Gliederung und Aufgaben eines Husarenregimentes
Das Regiment bestand aus fünf Bataillonen zu je vier Eskadrons. Dabei gehörte der Regimentsstab in Stärke eines Zuges zum 1. Bataillon. Vier Züge bildeten jeweils einen Eskadron mit folgender Personalbesetzung:
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1 Eskadronführer
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4 Zugführer
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2 schließende Offiziere
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1 Wachtmeister
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14 Flügelunteroffiziere und schließende Unteroffiziere
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5 Trompeter
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80 Husare
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das sind:
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7 Offiziere
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15 Unteroffiziere
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85 Mannschaften
Zu Angriffen im Regimentsrahmen kam es in der Geschichte des 8. Husarenregiments nicht. Bataillonsattacken gab es nur selten. Die meisten Aufgaben wurden auf Eskadronsebene durchgeführt. Einzelzüge wurden nur in Notlagen eingesetzt, wohl aber zu Patrouillendiensten und Wachdiensten. Lediglich zu Sonderaufgaben wurden einzelne Husaren eingesetzt - und dann gab es eben die sprichwörtlichen Husarenstückchen.
Die Aufgaben der Husaren lassen sich etwa so umreißen: Vernichtung fliehender Feindteile, Einsatzreserve der Kavallerie, Schutz von Artilleriestellungen, Aufklärung, Vorhut, Flankenschutz, Patrouillendienste und Verbindungsdienste.
Der Einsatz erfolgte in Reihe oder in Linie, je nach Auftrag und Gelände. Diese Gefechtsformen sind weitgehend äquivalent den Gefechtsformen der Infanterie - auch heute noch.
Die Aufgabe der Trompeter war es, durch rhythmisches Marsch- und Fanfarenblasen die Husaren von der Grausamkeit des Kampfgeschehens abzulenken und psychisch zu stärken. Der Kesselpauker wurde zur Verstärkung vom Bataillon zugeteilt. Trompeter und Kesselpauker dienten ferner in unübersichtlichem Gelände zur Orientierung und Richtungsanzeige für die Husaren.

1.4.
Husarenleben – Bilder vergangenen Soldatentums
(Auszüge aus Regimentsgeschichte der 8. Husaren)
"Wohl selten ist ein anderer Name in den Jahren 1813 - 1615 rühmender erwähnt worden, als der des Kommandeurs der 8. Husaren, Herrn Peter von Colomb. Am 19. Juli 1775 in Aurich in Friesland geboren, trat er noch sehr jung in das v. Eben'sche Husaren-Regiment ein- Der Krieg 1813 traf ihn als überzähligen Rittmeister in diesem (später Rudolfschen) Regiment an. Als solcher wurde ihm die zu errichtende Schwadron der freiwilligen Jäger übertragen. Mit unendlicher Hingabe und Gewissenhaftigkeit unterzog sich der damalige Rittmeister dieser nich leicht zu lösenden Aufgabe. In kurzer Zeit war die Schwadron so weit herangebildet, daß am 6. April bereits ihr Ausmarsch von dem Formationsort Neumark zur Armee erfolgen konnte. Am 26. stieß der Rittmeister zu den zu der Armee gehörenden Schwadronen und hatte die große Genugtuung, daß von den drei versammelten Schwadronen seine als die bestausgebildete und brauchbarste angesehen wurde.
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Eine Reihe von Streifzügen und Unternehmen des kleinen Krieges (=Partjsanenkrieges) bezeichnete von jetzt an die kriegerische Tätigkeit des Rittmeisters von Colomb- Durch Unruhe im Rücken des Feindes übte er einen gewaltigen Einfluß auf die Entschlüsse der Franzosen und auf ihre Operationen aus. Oft erschienen seine Pläne unausführbar, so daß selbst der alte Blücher, der mit der Genehmigung zur Ausführung solcher Unternehmungen oft zauderte, ausrief: "Wenn Er zum Teufel fahren will, dann soll Er halt fahren!"
Der Rittmeister von Colomb verdankte seinen Erfolg auf dem Gebiete des kleinen Krieges größtenteils dem Element der Überraschung. So verließ er am 8. Mai 1813 das Lager bei MEISSEN mit 6 Oberjägern und 80 berittenen Jägern seiner Schwadron, ging bei WEHLEN über die Elbe, um den König von Sachsen, der aus Böhmen zurückerwartet wurde, gefangen zu nehmen. Inzwischen aber änderte von Colomb seinen Plan und gab den ursprünglichen Entschluß auf. Er schlich sich in die Gegend bei REICHENBACH und FREIBERG, beunruhigte da die Straßen und machte schließlich NEUSTADT zum Mittelpunkt seiner Unternehmungen. Die Exkursion des Rittmeisters von Colomb von hier aus hatte so großen Erfolg, daß er auf die an Seine Majestät den König gestellte Anfrage - er fürchtete nämlich wegen seiner bisher gezeigten, allzu großen, Selbständigkeit die allerhöchste Ungnade - ob er im Dienst bleiben könne, die Antwort "Macht Ihnen alle Ehre, können bleiben so lange, wie möglich, bei ganzem Gehalt!"
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Wenn wir bedenken, daß der Rittmeister von Colomb stets zu beherzigen hatte, daß er im Fall des Mißtingens seiner fast ausschließlich selbst erbetenen Unternehmungen schonungslos von allen Seiten verurteilt, und daß er im Falle seiner Gefangennahme durch den Feind wie ein Verbrecher erschossen werden würde, (seit der Vereinigung Ostfrieslands, der Heimat des Rittmeisters von Colomb, mit dem französischen Kaiserreich waren alle Friesen, die in fremden Diensten standen, bei Gefahr des Erschießens zur Rückkehr aufgefordert worden), wenn wir dieses alles erwägen, so müssen wir den Unternehmungsgeist dieses Mannes bewundern. Darum wird auch der Name dieses Mannes in der Geschichte aller Reiterstücke, aller Unternehmungen des kleinen Krieges fortleben, gleich dem eines Oder Seydlitz.
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1843 wurde von Colomb zum Kommandierenden General des 5. Armeekorps ernannt, 1643 Gouverneur von KÖNIGSBERG. 1849 endete sein aktiver Dienst , am 12. November 1852 starb er als Chef des 7. Husaren-Regiments.
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25. Juni 1866 - 03.00 h: Um den Verbleib des Feindes auszukundschaften, hatte der halbe (3.) Eskadron stündlich Patrouille zu entsenden. Eine davon unter der Führung des Gefreiten Lindemann, dem der Lieutenant v. Heintze sechs verwegene Leute mitgegeben hatte, und die um drei Uhr nachts aufgebrochen war, kehrte um fünf Uhr mit Hurra zurück. Die Männer hatten beim scharfen Reiten zwar zehn Eisen verloren, aber folgenden hübschen Coup ausgeführt: In ein Dorf, eine Stunde von unseren Vorposten entfernt, hineinreitend wurde Lindemann von Bewohnern gewarnt, nicht weiter vorzugehen, da der gesamte Ort besetzt sei. Gleich im ersten Haus seien ein Oberst, zwei andere Officiere und 20 Gemeine einquartiert. Hierauf stieg Lindemann vom Pferde, schlich sich in den zu dem Hause gehörenden Stall, schnitt die beiden Reitpferde des Obersten los, führte sie aus dem Stall und gab sie zwei Husaren an die Hand- Eben war Lindemann im Sattel, da wurde es im Hause lebendig. Der Oberst alarmierte seine Soldaten und schrie zum Fenster hinaus. Lindemann wünschte ihm einen guten Morgen, versprach baldige Wiederkehr, und davon ging es in sausendem Galopp, von den inzwischen herangerittenen feindlichen Kürassieren heftig verfolgt. - Ein Pferd mußte leider zurückgelassen werden, weil es an der Hand nicht folgen wollte.
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10. Juli 1866 - 12.00 h: Aufmarsch bei HAMMELBURG. Auch das 4. Kürassier-Regiment marschierte gleich neben uns auf. Der Feind hatte das Selbe bemerkt, dadurch unseren Stand erfahren und richtete nun sein Feuer auf uns.
Eine Granate schlug zwischen die Pferde des 4. Zuges (3. Eskadron), krepierte aber nicht, warf ein Pferd um und vergrub sich in die Erde. Eine zweite Granate schlug unmittelbar zwischen den Köpfen der Husaren durch in eine Lehmwand, auch diese krepierte nicht… unmittelbar nach dem Abschwenken schlug eine dritte Granate dort ein, krepierte und spritzte die Erde hoch auf.... Hätte das Abschwenken nicht stattgefunden, wäre wohl der ganze Zug verloren gewesen.
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27. Juli 1866 im Raume WÜRZBURG: Unterofficier Arendt des 5. Eskadron, mit den Husaren Wächter, Jänchen und Risse auf Patrouille, erfuhr von Bauersleuten, daß das jenseits des Mains liegende EIBELSTADT vom Feind besetzt sei. Unterofficier Arendt faßte schnell den Entschluß, sich von den Angaben der Personen selbst zu überzeugen. Er stieg mit seinen Leuten und den Pferden in eine Fähre, fuhr über den Main und galoppierte in den Ort. Auf dem Marktplatz hielt ein Bauer zwei feindliche Officierspferde (Anmerkung: die Pferde ergrimmten vor Feindschaft!). Die Officiere saßen nach Angabe des Mannes im nahestehenden Wirtshaus. - Arendt nahm dem Bauern beide Pferde ab und sprengte nach dem Main zurück. Der Fährmann, dem er befohlen hatte, am Ufer halten zu bleiben, bis er mit seinen Leuten zurück käme, war unterdessen auf dem Wege nach dem jenseitigen Ufer. Unter Androhung des Erschießens veranlaßte Arendt den Fährmann, wieder umzukehren, und die Patrouille bestieg mit den erbeuteten Pferden die Fähre. - In EIBELSTADT hatte diese Verwegenheit einen Alarm hervorgerufen, die Sturmglocken läuteten, einzelne Infanterieabteilungen bestiegen bereits die Kähne und feuerten der Patrouille nach. Wohlbehalten kam man mit den Beutepferden bei dem Eskadron an. Wie nachher in Erfahrung gebracht wurde, war EIBELSTADT zu der Zeit von zwei Kompanien besetzt gewesen!
1.5.
Das Zeichen des Königs
Der Teil der Feldzeichen deutscher und verbündeter Heere in die Hand des Feindes gefallen. Nach diesen Unglücksjahren mußte daher mit der Neugestaltung des Heeres auch eine neue Regelung des Fahnenstandes kommen. Gleichzeitig wurde das Aussehen der Fahnen geändert. Sahen die Fahnen bis 1806 sehr unterschiedlich aus, so wurden jetzt einheitliche
Bestimmungen über die Fahnenmuster erlassen. Die neue Anordnung der Embleme blieb von 1808 bis 1918 dieselbe: im vom Lorbeerkranz umrahmten, gekrönten Mittelfeld war der preußische Kriegsadler mit dem Spruchband "pro Gloria et Patria" zu sehen, in den vier Ecken der gekrönte, vom Lorbeerkranz umschlungene, Namenszug des königlichen Stifters.
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Die Verleihung der Fahnen erfolgte unter zwei Bedingungen: entweder mußte sich das Regiment vor dem Feinde ausgezeichnet haben, oder es mußte sich in zehnjährigem, vorbildlichem Verhalten im Frieden bewähren. Diese Regel wurde streng eingehalten. Königsmanöver waren dann Anlaß zu Fahnenübergaben. Erst mit dem Regentschaftsantritt Wilhelms l. 1858 wurde dieser Grundsatz durchbrochen, was aber die Bedeutung der Fahnenübergabe nicht minderte.
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Nach Friedrich Wilhelm III. sollte die Fahne selbst bei völliger Zerstörung des Tuches nicht erneuert werden. Ebenso sollte auch die Stange möglichst selten ersetzt werden, ihre Schäden sollten durch Umlegen von Metallhülsen ausgebessert werden. Das Anlegen dieser Hülsen hatte nur mit Genehmigung des Königs zu erfolgen, wenn die Verletzungen von Kriegseinwirkungen herrührten. Diese strengen Bestimmungen galten bis zur Regentschaft Wilhelms Il. im Jahre 1890.
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Die Colomb'schen Husaren, nachfolgend königlich-preußisches Husaren-
Regiment Nr. 8 (1. Westf.) genannt (sein Chef war zuletzt Zar Nikolaus Il. von Russland), wurden am 7. März 1815 aufgestellt und erhielten ihre Fahne am 15. Juni 1815. Sie wurde im Jahre 1897 erneuert.
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Nach altem Herkommen führte die Fahne an der Spitze der Stange das Zeichen des Herrschers, der sie verliehen hatte. Bald aber erhielten die meisten Fahnen an dieser Stelle das Zeichen des Eisernen Kreuzes. Das 8. Husaren-Regiment erhielt diese Auszeichnung nach dem Frankreich-Feldzug 1870/71.
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Als weitere Auszeichnung haben Ordens- und Fahnenbänder zu gelten. So erhielt das 8. Husaren-Regiment an seiner Fahnenstange die Kriegsdenkmünze von 1813 (orangefarbenes Band mit schwarz-weißer Einfassung) , das Militärehrenzeichen mit Schwertern für die Kämpfe gegen die Aufstände 1848/49 in Schleswig-Holstein und im Ruhrgebiet, die Kriegsdenkmünze von 1864 mit Schwertern (orange-schwarz-weißes Band), ferner das Erinnerungskreuz von 1866 (schwarzes, weiß-gelb gerandetes Band) mit Schwertern und die Kriegsdenkmünze 1870/71 (schwarz-weiß-rotes Band).
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Heute, nach zwei erschütternden Weltkriegen, die nach Wirkung und Dauer auch ein dritter 30-jähriger Krieg genannt werden könnten, sind wir nüchterner geworden. Jene übertriebene, sich gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts zuspitzende, Traditionspflege mit den Fahnen ist vorüber und wird heute vielfach als geschmacklos empfunden. Diese überspannte Entwicklung scheint mir aus komplexen Erinnerungen an die Napoleonische Zeit entsprungen zu sein, Wenn wir heute wieder Fahnen als Symbole erkennen, dann ohne jene Übertreibung; vielleicht in Anknüpfung an die Zeit vor Napoleon und der französischen Revolution so ist zu hoffen, wenn all das schon sein muß.
1.6.
Militärgeschichtliches
Militärgeschichtliches
bliebe noch zu sagen: das 8. Husaren-Regiment in seinen kornblumenfarbenen Uniformröcken (Attila) und den schwarzen Reithosen kannte zu besonderen Anlässen natürlich auch eine besondere Uniform. Alt das Farbige aber nahm mit dem ersten Weltkrieg ein Ende. Von da an finden wir auch bei den 8. Husaren nur noch Feldgrau.
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Jedes Regiment kannte auch seine eigene Marschmusik. So hörte unser Ahnherr bei Präsentiermärschen jeweils den "Marsch der finnländischen Reiterei" und als Parademarsch den "Torgauer Marsch".
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Pferde waren schon im Kriege 1870171 gegen Frankreich ein sehr fragwürdiges Einsatzmittel "moderner" Kriegsführung geworden, da sie ein zu leicht zu treffendes Ziel für die neuen Maschinengewehre darstellten. Man brauchte sie eigentlich nicht mehr, doch man trennte sich nur sehr schwer von ihnen. So waren sie zu Beginn des Krieges noch da. Die 8. Husaren gehörten damals zur 9. Kavallerie-Division.
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1916 wurde die Stärke der Divisions-Kavallerie auf ein Eskadron je Division herabgesetzt. Bereits bei dieser Gelegenheit wird da 8. Husaren-Regiment in ein Husaren-Schützen-Regiment umgewandelt. Die Pferde bleiben fortan im Stall; die Männer finden wir unter der Bezeichnung Kavallerie-Schützen-Kommando 14 im Felde.
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Die Uniformen bleiben zunächst die alten: Feldgrau! Sogar die Sporen behielt man noch eine Weile bei. Während die Unteroffiziere und Mannschaften 1916 bereits Blusen und Helm anzogen, trugen die Offiziere noch bis Ende des Krieges die Attila.
1.7.
und uns bleibt die "Karls-Sage"
As Karl Greil am 17.Januar 1822 in Braunsberg in Ostpreußen geboren wurde - und am 29. darauf getauft wurde, hatte er weder Vater noch Großeltern. Die Mutter sorgte für den Jungen, mußte sich aber vor allem um den Geldverdienst sorgen. Und das Land war noch lange nicht von den Folgen der Napoleonischen Feldzüge gesundet..
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Karl machte schon bald reichlich Erfahrung mit den leidigen häuslichen Verhältnissen. Nicht die Mutter mußte ihm das sagen, vielmehr hämmerte ihm die Umwelt in der Braunsberger Vorstadt seine "Schande" ein. Er aber durchdachte alles: sein Großvater wurde 1807 bei der Verteidigung Braunsbergs gegen die Franzosen schwer verwundet und litt lange an diesen Folgen, bis er nach elf Monaten verstarb. Die Großmutter wurde ein Opfer von Hunger und Krankheit, die den abrückenden Franzosen folgten. Karls Mutter war gerade erst vierzehn Jahre alt, als die Franzosen ins Land kamen. Sie war dreiundzwanzig, als sie wieder gingen. So wurde sie um ihre Jugend betrogen. Mord, Totschlag, Vergewaltigung, Schlägereien, Erpressung, Hunger und Krankheit - das war's, was ihre Jugend kennzeichnete.
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Karl überdachte all diese Zusammenhänge seines armseligen Daseins. Schließlich war sogar die Mutter davongelaufen, verjagt von der verständnislosen Haltung der Mitmenschen und er fragte sich: Wer hat meine häuslichen Verhältnisse verschuldet, meiner Mutter den Seelenfrieden, meinen Großeltern das Leben genommen? Wer hat soviel Not über Preußen gebracht? Und seine Antwort lautete: Napoleon, die Franzosen!
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Zu dieser Zeit rief man in Frankreich erneut nach einem Napoleon und jubelte bereits dem späteren Napoleon III. zu, der zu dieser Zeit in der Politik noch ein Unglücksrabe war.
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Karl aber schwor Rache. Er hörte in jener Zeit von den Colomb-Husaren, einem verwegenen Reiterhaufen, dem es 1815 fast gelungen wäre, Napoleon l. zu fangen. Doch entkam er damals in letzter Minute und ergab sich den Engländern "lieber als den Preußen". Karl beschloß, zu diesen legendären Reitern zu gehen. Um 1842 trat er in die Reihen des Colomb'schen Reiterregiments ein - bei dem späteren königlich-preußischen Husaren-Regiment Nr 8 (1. Westf.). Das war nach seiner kaufmännischen Ausbildung in Braunsberg. Vielleicht wollte er auch ursprünglich nach Ableistung seines Grundwehrdienstes nur als Zahlmeister dabei bleiben - doch finden wir ihn später bei den kämpfenden Teilen seiner Einheit.
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Karl holte sich manch' hohe Auszeichnung, bis seine große Stunde - die ersehnte Abrechnung mit Frankreich - kam. Am 16. Juli 1870 erfolgte die Mobilmachung gegen Frankreich. Auf diesen Tag hatte er gewartet. Und sicherlich war seine Haltung manchmal - mit unseren heutigen Augen betrachtet - in ihrer Subjektivität reine militaristische Kriegshetze.
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Aber höhere Kräfte sorgten für Gerechtigkeit: Karl sollte zwar Frankreich, das ihm und seiner Familie so viel Unglück gebracht hatte, besiegt sehen. So manche Haßtirade aber sollte er damit bezahlen, daß er am 14. August 1870 bei einem Gefecht bei Colombey, ostwärts von Metz, einen Arm verlor. Für dieses Opfer er später zum Lieutenant - der Dank des Königs.
1.8.
Wandlungen
Karl Greil war seinen Soldaten oftmals ein Greuel. Und, indem sie ihn so, in Abwandlung seines Namens, nannten, zeichneten sie ihn sicherlich richtig. Sein Verhalten entsprach seinen Vorstellungen über eine ideale gutbürgerlich-preußische Familie. Etikette und Bildung waren da sehr wichtig. Und diesen Vorstellungen opferte er ungewollt seine ganze Familie wie sich selbst: Elisabeth, seiner Ältesten, setzte er völlig unwirkliche Vorstellungen über Ehe, Familie und Gemeinschaft in den Kopf - Vorstellungen, an denen schließlich ihre Ehe zerbrach, und an denen sie selbst schwer trug. Karl, der erstgeborene Sohn, verließ aus Angst vor dem Vater das Gymnasium und das Elternhaus und ging zu Dürrkopp in Bielefeld, um dort zu arbeiten. Die Trostlosigkeit autoritärer Formen früh durchschauend, und vielleicht ihre späteren Früchte schon sehend, suchte er Zugang zu demokratischen Gesinnungsgenossen in der sozialdemokratischen Partei.
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Ernestine, Karls Weggefährtin, versuchte das "Greuel" in ihrem Manne mit ihrer hamburgisch geprägten, bürgerlichen Weltanschauung auszugleichen. Was er manchmal nur polternd verständlich machen konnte, verstand sie bedeutend feiner zu vermitteln. Sie spielte hervorragend auf dem Klavier, was sie wohl ihrer Ältesten weitergeben konnte. Aber auch sie hielt immer wieder, zum Leidwesen ihrer Umgebung, an den starren Formen der überkommenen Etikette fest. Noch ihr Enkel (1887 - 1969) bekam dieses Oft zu spüren, wenn sie ihre Besuche in Bielefeld machte.
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Im Kriege 1870/71 - so konnten wir berichten - wurde unser Ahnherr schwer verwundet. Unser Großvater Ernst war es, der von einem amputierten Arm berichtete; in den Greil'schen Familienerinnerungen ist davon nichts überliefert. Dort ist nur erinnerlich, daß es eine schwere Verwundung war.
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Die Nachfahren Karls können sich noch an ein rubinrotes Trinkglas mit den Jahreszahlen 1870/71 erinnern - es war sein ganz persönliches Trinkglas.
Etwa 1875 quittierte Karl, 53-jährig, seinen Dienst für den König. Es folgte für ihn sein zweites Leben, von dem wir nicht viel mehr wissen, als daß es eine Lösung von militärischen Lebensformen und die Hinwendung zu mehr Menschlichkeit brachte.

Nachfahrentafel des Karl Greil aus der alten ostpreußischen Kaufmannsfamilie der Greil in Braunsberg im ErnLand, unter Nennung aller uns bekannt gewordenen Nachfahren. So niedergeschrieben zu Geldern—Veert November
A.D. MCNILXX durch Klaus Uphues
Aus:“ tho Uphusen“ von Klaus Uphues, 1997