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Bernhard 
Julius Uphues

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Bernard Julius Uphues (1849 - 1906) und seines Maria Anna Friederika Elisabeth, geb Greil in hoffnungsvollen Sassenberger Tagen am 12.Januar 1879

Im arg kalten Winter des Revolutionsjahres 1849 wurde am Freitag, dem 12 Januar in Sassenberg Bernard Julius geboren, im Jahr darauf sein Bruder Joseph. Das brachte noch einmal große Freude in das Haus an der Schloßstraße. Es war ja etwas Besonderes um diese beiden Kinder, das war den Eltern ganz klar. Aber es war all dieses Wissen auch überschattet von dem Wissen, daß der Tod bald den Vater aus Familie holen würde. Ihn hatte die Schwindsucht gezeichnet, und der Tod holte ihn am 18. November 1851.

Wenn auch die folgenden Kindheitsjahre von wirtschaftlichen Sorgen begleitet waren, so waren sie doch nie so groß, daß sie der Mutter den Blick für die Zukunft verstellten.

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In diesen Kindheitsjahren von Bernard Julius wuchs der Familie viel Kraft aus der Begegnung der Mutter mit Luise von Gall - Schücking zu. So waren diese Jahre eigentlich glückliche Kindheitsjahre. Auch die Schuljahre bei Lehrer Alexander Theben waren nicht schlecht für einen Lausbuben. Man lernte wohl nicht viel, konnte aber umso mehr seine Phantasien spielen lassen. Mag sein, daß Bernard Julius' Phantasiereichtum und Josephs Willenskraft der Mutter schon früh manchen Seufzer entlockten. Wie unzertrennlich lebten die beiden Jungen in der Schule und beim Spiel auf der Straße, auf den Wällen und an der Hessel.

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Es war ganz anders mit diesen beiden Kindern als mit den beiden Älteren, die eher zuhause hockten und der Mutter halfen.

Und als die Schulzeit zu Ende war, blieben Bernard Julius und Joseph doch zusammen. Sie machten gemeinsam eine Tischlerlehre - und gewiß war es nun manches Mal der Meister der Beiden, den das Seufzen überkam. Vielleicht gab er's den Beiden auch schon mal mit der Latte aufs Kreuz. Das gab es damals durchaus. Doch wer der Meister der Beiden war, ist nicht bezeugt.

Zwischenzeitlich hatte sich die Mutter entschlossen, den Kostgänger im Hause zu heiraten. Das paßte aber den Jungen gar nicht und sie beschlossen, in schöner Einmütigkeit, nun auch gemeinsam nach Holland und Belgien auf die Wanderschaft zu gehen. Die Zeit verging, und die Beiden hörten wohl den Ruf des Vaterlandes, den Ruf zu den Waffen gegen Frankreich. Aber der Sinn stand ihnen nicht danach, mitzuziehen. Sie beschlossen, auf jeden Fall im Ausland zu bleiben, bis man zu Hause ausgekämpft hatte. Krieg, das war nicht ihre Sache.

In Rotterdam arbeiteten sie in einem Betrieb, dessen Meister eines Tages erkannte, daß Beiden eine ausgeprägte künstlerische Formkraft inne- wohnte. Er riet ihnen zu einer Steinmetz-Ausbildung. So kamen sie 1871 nach Sassenberg zurück und begannen, wieder unzertrennlich; eine Lehre bei der Firma Goldkuhle in Wiedenbrück. Was Bernard Julius schnell erdachte, so war es wohl, setzte Joseph ebenso energisch in die Tat um, jeder für den Anderen mit. Die Wiedenbrücker Jahre waren gewiß keine Herrenjahre, war es doch in dieser Zeit ohnehin schon ungewöhnlich, eine zweite Lehre zu machen, so zog es gewiß auch skeptisches Hinterfragen und unbequeme Anspielungen für die beiden doch recht "alten" Lehrlinge nach sich. Sie aber standen diese Zeit fest durch.

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Unter der Woche lebte man in Wiedenbrück als Kostgänger, und oft mag's gewesen sein, daß die Beiden auch die Nacht am Arbeitsplatz verschliefen. Da kann es in Bernard Julius schon einmal ein inneres Fragen gegeben haben nach einer Familie, nach Geborgenheit wie einst zuhause bei der Mutter.

Vielleicht war es in einem solchen Augenblick inneren Fragens nach einem Zuhause, daß Bernard während dieser Lehre der Maria Anna Friederika Elisabeth Greil in Wiedenbrück begegnete. Die Begegnung wurde schicksalhaft für die beiden Brüder. Nach 24 Jahren gemeinsamer Wege durch Dick und Dünn trennten sich nun ihre Wege- Eine schmerzliche Trennung? Möglich, aber nicht sicher! Schmerzlich war die Trennung nur beim Rückblick auf vergangene, herrliche Zeiten. Aber für die Zukunft gab's für Beide neue, lohnenswerte Ziele. Joseph ging nun erneut auf Wanderschaft und zwar zu einem viel weiteren Ziel: ein Akademiestudium in Berlin. Bernard Julius ging nach Münster und nannte sich fortan Kunstdekorationsmaler. Mit der aufkommenden Fotografie sah er in diesem Bereich Möglichkeiten für sich lohnenswerte Ziele? Vielleicht nicht unbedingt; aber doch ein Einstieg zum Durchstieg nach oben in die bessere Gesellschaft Münsters! Jedenfalls: weg vom ärmlichen Sassenberger Leben!

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Wir sind in den Jahren nach den Einigungskriegen in Deutschland, da gibt der neue Ruhm preußischer Fahnen, der neue Glanz einer großen Armee, dem kleinen Mann eine neue Hoffnung. Die Helden sind heimgekehrt und lassen sich nun malen. Sie sitzen da mit Stolz geschwellter Brust, glauben ein jedes Zittern der Orden und Ehrenzeichen könnte das Schlachtenglück vergangener Tage vergehen lassen und lassen sich von allen gerne sagen, wie groß sie sind.

Bernard Julius läßt sich diese Gelegenheit nicht entgehen. Geld winkt und die kleine Chance sich einen Namen zu machen - seine Kunst zu beweisen. In dieser Zeit vergißt er den Alkohol, den Fusel. Nimmt einen klaren Kopf und malt, was sich malen läßt. Die Herren Officiers oder die Herren Wachtmeisters, Unterofficiers und auch Mannschaften und läßt sich's reichlich zahlen- Man lobt ihn und reicht das Lob weiter - und Bernard Julius findet zum ersten Mal etwas Hoffnung erfüllt. Und wie sie kommen uns sich drängen im Glanze ihrer Orden! Ja, es waren herrliche Zeiten!

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Bernard Julius nutzte die Zeit. Er machte sich selbständig und lebte nun angesehen als freischaffender Künstler - oder schlicht, wie man's damals nannte: als Kunstmaler! Nicht nur die ehrenbehäuften Helden des Vaterlandes kamen zu ihm, sondern ebenso deren Familien, die Geistlichkeit und die Beamten. Und von all denen gab es reichlich in Münster! Es fehlte nicht an großen Namen der Provinz.

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Das war nach der zweiten Lehre in Wiedenbrück nun in Münster alles sehr schnell gegangen. Aber nun war er jemand, und er konnte beim Vater der Elisabeth Greil vorsprechen und um die Hand der Tochter bitte. Und Karl Greil gab seine Zustimmung zur Hochzeit der Beiden - nicht ganz ohne Sorge. Mußte es denn gerade ein Künstler sein?! Da kamen ihm wohl Erinnerungen an die eigene armselige Herkunft, und sie verbanden ihn denn doch mit seinem angehenden Schwiegersohn. Dessen Willen, es zu etwas zu bringen, konnte man ja auch nicht übersehen. Aber würde er mit seiner sicherlich schönen, stolzen Tochter, mit ihrem feurigen Temperament, ihren trotzigen Eigenwilligkeiten und gelegentlichen Wutausbrüchen klarkommen? Elisabeth hatte in Münster die höhere Töchterschule besucht, sprach Englisch und Französisch und verdiente sich ihr Brot durch Klavierunterricht, den sie erteilte  der Bildungsunterschied zwischen den beiden jungen Leuten war unübersehbar.

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In der Partnetwahl Bernard Julius' 1874 wird uns deutlich, wie sehr er einerseits gesellschaftlich "nach oben" drängte und andererseits eine willensstarke Persönlichkeit an seiner Seite suchte. Die Sassenberger Kindheit und das lange Zusammengehen mit seinem Bruder Joseph mögen den Drang "nach Oben" verständlich machen; daß er den Willen neben Sich suchte, mag aus Eigenerkenntnis kommen. Es war das ihm Fehlende. Er wußte, wie schwer es ihm war, nicht in Traumschlösser abzuheben, sich täglich zu mühen und stetig in der Sache zu bleiben.

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Am Donnerstag dem 24. September 1874 steht Bernard Julius mit seiner Elisabeth in Wiedenbrück vor dem Traualtar- Seine Mutter war nicht bei ihm, sie gab ihre Genehmigung zur Ehe schriftlich (damals konnte keine Ehe geschlossen werden, wenn nicht von beiden elterlichen Seiten dazu die Genehmigung vorlag). Catharina in Sassenberg, unsere große Ahnfrau, gab ihre Genehmigung gerne, denn sie wußte, es werde eine gute Partie sein! So herrschte eitel Sonnenschein. Der Unterschied der Welten, die sich hier begegneten, ist einzigartig verdeutlicht in den beiden Trauzeugen: schlicht, einfach und derb-bäuerlich Alexander Anton Uphues, Maler in Sassenberg, vom Tode gezeichnet. Und andererseits: Ernst Greil, Elisabeths achtjähriger Bruder, gar herrlich ausstaffiert und von seinem Vater geführt. Karl Greil aber stand gewaltig und unübersehbar im Mittelpunkt des Tages. Er, Held der Einigungskriege und Original in der Stadt Wiedenbrück seiner Zeit, stand da in seinem blauen Husarenrock mit Schleppsäbel und Attila - ganz in großer Uniform. Doch des Königs Soldat gab nur ein halbes Ja zur Sache, denn sie konnte ihn nicht überzeugen. Er hatte sich für seine Tochter mehr erhofft als nur einen Maler!

Und nun beginnt der Alltag. Schon zehn Monate nach der Hochzeit wird der Sohn Karl geboren. Der Name des alten Greil lebt fort noch ehe sein Ahn gestorben ist. Welche Verehrung zeigt sich hier! Nach Karl kommt 1876 Joseph. Welch ein Segen für das junge Haus! Doch zeigen sich bald auch die Lasten, die hier der Familie entstehen. Elisabeth, an Hausarbeit und Kinderpflege nicht gewöhnt, steht vor für sie unlösbaren Problemen. Vielleicht sieht sie jetzt, was sie mit ihrer Heirat alles aufgegeben hat. Aber sie klagt nicht. Sie behält Haltung, bestärkt durch erfahrene Werte, sie bleibt Dame.

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Bernard Julius aber findet bald nicht mehr Ruhe und Muße zum Malen. So kommen erste wirtschaftliche Sorgen. Auch das Geschäft mit der Portraitmalerei läuft nicht mehr so gut wie vor Jahren nach den großen Kriegen. Bernard Julius muß sich umstellen: er malt nun vermehrt Kulissen für die Fotografen. Das fällt ihm nicht ganz leicht, sieht er doch in ihnen ganz klar seine Konkurrenz. Die Fotografen haben mit ihrer neuen Kunst den Kunstmalern das Brot genommen! So wird nun das Geld manchmal recht knapp bei den Uphues' in Münster, zumal Elisabeth auch nur wenig Talent zeigt, aus wenig viel zu machen. Es kommt zum Streit zwischen den Eheleuten und zu wechselseitigen Vorwürfen. Auch der Alkohol scheint beiden zeitweilig die Sicht auf die Zukunft zu vernebeln. Als die Not immer größer wurde, entnahm Bernard Julius dem von ihm verwahrten Sparbuch seines Bruders Joseph nach und nach 285 von 330 Mark- Das war für Joseph, als er es nach seiner Wanderschaft 1878, entdeckte, eine böse Überraschung. Als er sich das Geld in Münster wiederholen wollte, sah er schnell ein, daß dort nichts zu holen war.

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Wenig später zieht Bernard Julius mit seiner Familie zur Mutter nach Sassenberg - Hoffnung auf Erholung, auf Befriedung, auf Entlastung, auf einen Neuanfang?!

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Was für ein Neuanfang? In Sassenberg Bilder malen, Kulissen malen oder etwa wieder häusliche Gärtnerei betreiben; Das war doch eigentlich für Bernard Julius alles gleichermaßen undenkbar! Das hätte doch geheißen: zurück in die Armut. Und Elisabeth, die wilde Husarentochter, im kleinen Sassenberg Klavierunterricht erteilend? Wahrscheinlich war der Entschluß von 1878, nach Sassenberg zu gehe, von vornherein nur als Erholungspause, als Sinnsuche, als Besinnungspause gedacht. Und so wurde es dann auch irgendwie eine glückliche Zeit - etwas wie Gartenlauben-Zeit. Man hatte Sorgen - und neben dem Händchenhalten versöhnlicher Stunden neuen Hoffens standen ebenso viele Tränen.

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Die Greils in Wiedenbrück haben sich von den jungen Leuten scheinbar abgesetzt. Nur Catharina in Sassenberg hält zu ihrem Sohn. Sie bleibt in dieser Zeit sachlich und nüchtern dort, wo es zu helfen gilt. Sie gibt bereitwillig ihren Teil und mehr, damit alles wieder recht wird. Sicherlich, sie ist älter geworden, und die kleine Schar der munteren Kinder wird ihr manchmal zur Last. So wird sie auch nicht sonderlich erfreut gewesen sein, als sich mit Ernst 1879 ein weiteres Kind anmeldet.

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Ernst aber war ein Glückskind, gezeugt in den Wochen größter erneuter Zuversicht seine Eltern, geboren am Samstag dem 18. Oktober 1879 in Sassenberg. Und noch ein zweites Kind entstand in dieser Sassenberger Zeit:

Catharina, genannt Käthe, wurde am 26. Dezember 1880 in Münster geboren - die später so geliebte Nichte Joseph Uphuesi in Berlin, Bernard Julius als Gärtner und gelegentlicher Kunstmaler in Sassenberg - das war ihm keine Perspektive. So sah das auch Joseph in Berlin und riet Bernard Julius über die Mutter zu mehr Mut, sich als Mann durchzusetzen und mit dem Steuerrad in der Hand gegen die Wellen zu kämpfen (27.2.1880).

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1881 kehrt die nun sechsköpfige Familie nach Münster zurück. Allzu schwierig war's wohl auch zwischen Catharina und der Schwiegertochter geworden. Elisabeth konnte sich in die Sassenberger Welt nicht einfinden. Es war nicht ihre Welt. Hier konnte sie nicht englisch und französisch sprechen, und auch das Klavier hatte in dem kleinen Uphues-Haus kaum Platz - und: hier mag sie sich auch nicht den Kindern zuwenden. Viel zu sehr fühlt sie sich beim Kochen und bei den Kindern von erfahreneren Augen beobachtet. Wer weiß zudem, ob es oft nicht nur ein Beobachten war, sondern eher ein Bitternis schaffendes Kommentieren seitens unserer so aufs Lebenspraktische bedachten Ahnfrau Catharina.

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Wieder in Münster, in der Zeit nach den drei Sassenberger Jahren, werden der Familie noch zwei weitere Kinder geboren: Bernard 1882 und Alexander 1883.

Und was kam dann? Nun, Elisabeth wurde kaum besser als zuvor mit den häuslichen Problemen fertig, Die Kinderschar war zu alledem noch gewachsen. Dazu lockte das kulturelle Leben der Stadt - und sie konnte sich dem kaum in der familiär erforderlichen Weise entziehen. Das Geld reichte nicht. Auch die finanzielle Unterstützung durch ihren Bruder in den USA reichte nicht mehr, wurde dann sogar eingestellt. Bernard wurde immer entmutigter. Seine großen Ideale der frühen Jahre zerronnen immer mehr. Bist du arm, so bleibst du es! Wie ein Spott klang das jetzt wieder in seinen Ohren. Und man hatte ihn gelehrt: das Weib sei dem Manne untertan! Und hier packte es den in seiner Welt verunsicherten Mann. Er tobte und brach, was sich nicht biegen ließ - und er trank wieder, wie einst in den Jahren zu Wiedenbrück. Joseph in Berlin nannte ihn jetzt einen Drückeberger und Faulenzer!

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Die dramatischen offenen Auseinandersetzungen in der Familie nehmen jetzt zu. Sie zerbricht - und die Kinder gehen aus dem Hause. Karl und Joseph gehen nach der Lehre auf die Wanderschaft, für Ernst findet sich 1893 eine Pflegefamilie in Hohenholte, nordwestlich von Münster.

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1894 trennen sich die Eltern in Münster. Elisabeth nimmt sich eine kleine Wohnung in der Stadt und lebt fortan von den Erträgen aus dem Klavierunterricht und der Hilfe im Englischen und Französischen. Bernard Julius geht, völlig resigniert, mit seinen Kindern Käthe, Bernard und Alexander zurück zur Mutter nach Sassenberg.

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In dieser Zeit schafft Joseph in Berlin seinen ganz großen Durchbruch und berichtet nach Hause, als ob er und der Kaiser ... alles wären. Bernard Julius muß das erfahren haben, und es muß für ihn eine tragische Erfahrung gewesen sein. Armselig und mit leeren Händen fährt er nach Berlin - vielleicht hat er auf eine Anstellung bei seinem Bruder gehofft. Joseph gibt ihm zunächst Geld, damit er sich ordentlich einkleidet. Er nimmt das Geld, und reist wieder nach Sassenberg zurück - die Berliner Welt hatte ihn völlig verschreckt!

In Sassenberg zurück, macht er sich nach besten Kräften nützlich. Dann stirbt 1896 die Mutter und Käthe, vierzehnjährig, muß für den Vater, den Stiefgroßvater und die beiden Brüder die häusliche Wirtschaft in der Schloßstraße übernehmen. Da ihr dazu die Ausbildung fehlt, und auch um ihren Kenntniskreis zu weiten, holt Joseph sie auf zwei Jahre nach Berlin in seinen Haushalt. Er übernimmt gleichzeitig die Bewirtschaftung des Hauses in Sassenberg, kann oder mag aber zu Lebzeiten seines Bruders keine größeren Summen in das Haus investieren. Bernard Julius dämmert langsam dahin zwischen seinen Träumen, fixen Ideen und Hoffnungen, zwischen der Wirtschaft und auch Mißwirtschaft in der Gärtnerei und dem Alkohol.

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Von seinen Kindern kaum verstanden, enttäuscht und entmutigt stirbt es am Dienstag, dem 12. Juni 1906, siebenundfünfzigjährig in seinem Vaterhaus an einer Lungenentzündung. Von seinem Schaffenswerk ist uns nichts übermittelt. Elisabeth, so sehr seine Schicksalsgefährtin, überlebte ihn um 28 Jahre. Sie starb am Freitag dem 30. November 1934 in Münster.

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Ich habe versucht, das Leben zweier Eheleute an der Schwelle zur Neuzeit zu beschreiben, zweier Menschen, die bei allen guten Vorgaben doch nicht den Mut fanden, energisch auszuschreiten. In Beiden waren großartige Perspektiven angelegt, aber sie waren damals im Münsterland der Zeit noch zu weit voraus. Da war nichts und niemand, der die Beiden beraten oder ermutigt hätte - so mußte das Angelegte tragisch enden.

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Aus den vielleicht schönsten Tagen der Eheleute ist uns ein Foto erhalten, das einzige der Beiden. Es entstand im Winter 1878179. Beide hatten sich in Sassenberg von den niederschlagenden Erfahrungen ihres Eheanfangs wieder erholt. Sie waren froh gelaunt, ein wenig verliebt, wie damals, als sie heirateten - und vor allem waren sie voller Hoffnung auf die Zukunft. In dieser Stimmung entstand am 12. Januar 1879, an Bernard Julius' dreißigstem Geburtstag, diese Aufnahme. Sie zeigt zwar einerseits die Beiden in sehr gelockertem, seelischem Empfinden, andererseits aber zeigt dieses Bild auch die ganze äußere Steifheit jener Zeit. Elisabeth, in rotem Kleid mit schwarzem Spitzenbesatz, muß im Sinne der Zeit an der Seite ihres Mannes stehen, der als Familienoberhaupt für sich den Anspruch der Zeit dokumentiert, bei der Zeremonie sitzen zu dürfen. Ja, hier kommt uns Heutigen wieder böse das Wort in Erinnerung, daß das Weib dem Manne untertan sei. Einen Teil der Steifheit und des mangelnden Gesichtsausdrucks müssen wir den technischen Möglichkeiten der damaligen Fotografie zuschreiben: mußten sich doch die Abzulichtenden mehrere  lang verhalten.

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Dieser 12. Januar 1879 war durch die Erstellung des Fotos allein schon zu einem Festtag geworden. Damals war das etwas ganz Besonderes, und die ganze Familie nahm daran im Sonntagsstaat anteil. Dieser Januar muß den beiden Menschen wie ein Traum vorgekommen sein, wie ein taumelndes Glück, das sich über die Beiden legte. Wohl nicht anders als ein Zeugnis dieses Glücks ist die Geburt von Ernst im Oktober darauf zu verstehen - Ernst ein Glückskind.

Aus:“ tho Uphusen“ von Klaus Uphues, 1997

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