"Uphues und Schöller" aus "Die Glocke" 06.04.1941
Uphues und Schöller
Wenn man später mal die Geschichte der westfälischen Bildhauerei im neun-zehnten Jahrhundert schreiben wird, dann wird man mit Bedauern feststellen, wieviel begabte junge Künstler aus Westfalen im vorigen Jahrhundert nach Amerika abgewandert sind, weil sie in der Heimat keine Aufträge erhielten. Vor dem Weltkrieg gab es im Jahre 1913 ein Handbuch der Millionäre. Darin standen alle Personen verzeichnet, die eine vermögens- oder Einkommens-steuer aus einem Kapitalbesitz zahlten, der eine Million und mehr betrug. Der Berliner Regierungsrat Martin, der dies interessante Werk herausgegeben hatte, das viele Leute plötzlich in die peinlichste Verlegenheit versetzte, weil sie ihren nichts ahnenden Mitbürgern als Millionäre enthüllt wurden, wurde damals disziplinarisch bestraft, aber das machte ihm nicht viel, denn sein Buch fand guten Absatz, besonders, als man hörte, behördliches Material sei ver¬wendet. Sehr viele Millionäre gab es in Westfalen. Aber wie wenig Mäzene der heimischen Künstler waren unter diesen, und wer von ihnen hat damals dem an¬erkannt größten Denkmalbildner des Wilhelminischen Zeitalters, unserm großen Sassenberger Landsmann Joseph Uphues, einen Auftrag gegeben? Vor hundert Jahren noch vermittelte so etwas der Oberpräsident von Vincke. Er trat vor 1848 an den reichen Adel heran, seine Standesgenossen, stellte ihnen vor, dass sie die Tradition und die Aufgabe hätten, etwas für die Kultur und die be-gabten Künstler des Landes zu tun, und dass sie sich nur selber ehrten, wenn sie durch Aufträge an einen begabten Künstler diesen förderten. Vor fünfzig Jahren aber existierten in der Provinz nicht mehr eine solche Persönlichkeit wie der alte Vincke, und so hat Uphues für seine Heimatprovinz kaum etwas geschaffen. Vielleicht hätte auch er nach Amerika gehen müssen, wenn er in München nicht Anna Schöller, die Frau des Geheimen Kommerzienrats Philipp Schöller aus Düren, kennengelernt hätte, denn der 22. März 1891 und die Enthüllung des Kaiser-Wilhelm-I-Denkmals in Düren ist und bleibt doch immer der Auftakt zu der großen Schöpfungsperiode, in der Joseph Uphues aus Sassenberg allmäh-lich als einer der größten Denkmalbildner Deutschlands und damit der ganzen Kulturwelt hervortrat. Anna Schöller, die 1911 starb, lernte schon in den 80er Jahren in München den Sassenberger Bildhauer kennen und erfasste sofort, um welch großes Talent es sich hier handelte. Sie erkannte, dass dieser Reinhold-Begas-Schüler den meister übertraf. Wenn Uphues später als äußeres Zeichen seiner Dankbarkeit Anna Schöller und ihrem Mann Philipp Schöller, dem Geheimen Kommerzienrat, die lebensgroße Bronzestatue des Sabiners, seine Schwester beschützend, zu Geschenk machte, den Teil des Begasschen Denk-mals, den Uphues als Begasschüler selbständig vom Werk des Meisters, dem „Raub der Sabinerinnen“ ausgeführt hatte, so ist das sicher bedeutsam. Offen-bar hatte Anna Schöller gerade durch dies Werk die Überzeugung von dem großen Talent des Sassenbergers gewonnen. Es ist bekannt, dass Anna Schöller dem Bildhauer, der sich damals in München in finanziellen Schwierigkeiten be-fand, ihre Hilfe zuteilwerden ließ und sich dadurch die lebenslängliche Dank¬bar-keit des Künstlers sicherte. Uphues wurde nach Düren eingeladen und war mit jener Frau häufiger Gast im Hause des Geheimen Kommerzienrats Philipp Schöller. Das Ehepaar Schöller beauftragte ihn mit der Anfertigung lebensgroßer Marmorbüsten und mit Gruppenbüsten der Kinder Felix, Hedda, Werner und Philipp (Schöller) sowie Felix und Elly Peitzer, deren Mutter eine geborene Schöller war. Schließlich fertigte Uphues nach dem Tode seiner Gönner auch noch das Grabdenkmal für diese auf dem evangelischen Friedhof in Düren an. Das Verhältnis von Joseph Uphues zum Ehepaar Schöller ist bis zum Tode seiner Gönner ein ungetrübt freundschaftliches geblieben. Handelte es sich doch bei allen dreien um höchst wertvolle Menschen. Anna Schöller, übrigens auch eine geborene Schöller, war eine hochherzige Frau, die sich nicht nur durch Intelli¬genz und für ihren Gatten und dessen industrielle Tätigkeit wertvolle Beratung auszeichnete, sondern auch durch eine Wohlfahrtspflege, die in Düren noch heute unvergessen ist. Stiftete sie doch ein Blindenheim, das Annaheim, eine Kleinkinderschule, mit ihren Geschwistern das evangelische Gemeindehaus, die Felix-Heinrich-Schöller-Stiftung, und stand jedem Armen und Bedürftigen mit Rat und Tat bei. Eine Persönlichkeit von demselben Format war ihr Gatte. Nach dem Jubiläumswerk der Firma Schöller im Jahre 1833 geboren, führte er mit Weitblick und Tatkraft seit 1864 im Dürener Bezirk den völlig neuen Industrie¬zweig der Teppichherstellung ein und brachte sein Werk von Stufe zu Stufe weiter, immer im engsten Einvernehmen mit seiner Gefolgschaft, die er ver¬stand und leitete vor allem im Studium der für den Druck geeigneten Farben. 1890 wurde er Alleineigentümer der Teppichfabrik, die er von kleinen Anfängen zu höchster Blüte brachte. Immer war er im öffentlichen Interesse und zum Wohl der Allgemeinheit tätig, ein Mann, dem Düren unendlich viel verdankt. Er verband gründliche Prüfung mit großem Wagemut und außerordentlicher Herzens¬¬güte. Vor allem förderte er seine Vaterstadt Düren und schenkte ihr den Grund und Boden für die Anlage der Bismarckstraße, die sich heute zu einer der schönsten Straßen Dürens entwickelt hat. Außer all diesen wertvollen Eigen¬schaften besaß Philipp Schöller ein ganz hervorragendes Kunstverständnis. Er starb 1904. Er erkannte, wie recht seine Frau darin hatte, den Sassenberger Bild¬hauer zu fördern und wendete ihm die Anfertigung des Kaiser-Wilhelm-I-Denkmals für Düren zu. Bei der Enthüllungsfeier sprach sich Philipp Schöller nach der Roer-Zeitung vom 24. März 1891 über die Schöpfung von Joseph Uphues folgendermaßen aus: „Eins aber verdient nochmals ganz besonders hervorgehoben zu werden, das ist die geschickte Art, mit der der Künstler es ver¬standen hat, das Wesen und den Charakter des großen Kaisers in sein Bild hinein¬zulegen. Seine Majestät unser allergnädigster Kaiser hat angesichts des Ent¬wurfes zu diesem Denkmal wiederholt seine Anerkennung über die Auffassung seines erlauchten Großvaters ausgesprochen, und der erste jetzt lebende Künstler, Herr Reinhold Begas, hat, als er das vollendete Modell vor sich sah, es unumwunden ausgesprochen: „Das ist das beste Kaiserstandbild, was ich je gesehen habe, das ist die beste Kaiserfigur, die bis jetzt geschaffen ist.“ Und das alles, meine Herren, verdanken wir dem schlichten Manne hier an meiner Rechten. Alle unter uns, welche Gelegenheit hatten, meinen Herrn Nachbarn früher kennenzulernen, insbesondere aber diejenigen unter uns, welche während seines gegenwärtigen längeren Aufenthalts Gelegenheit hatten, in freund-schaftliche Beziehungen zu ihm zu treten, lernten ihn von Tag zu Tag mehr schätzen, ehren und lieben. Kraft und Milde, Bescheidenheit und Adel des Charak¬ters und der Gesinnung sind es, die wir in schönster Übereinstimmung bei diesem biederen Sohne Westfalens vereint finden.“
Mit diesem Denkmal Wilhelms I., das Reinhold Begas also für die beste Kaiser-figur, die je geschaffen, erklärt hatte, war das Glück von Uphues gemacht, aber die Förderung durch das Ehepaar Schöller lange nicht zu Ende.
Schöllers war es zweifellos zu danken, dass in der folgenden Zeit Uphues noch mit einem Bismarckdenkmal und einem Moltkedenkmal für die Stadt Düren be-auftragt wurde. Beide sind wohlgelungen. Das Bismarckdenkmal zeigt über-raschende Porträtähnlichkeit und eine Haltung geschlossener Ruhe. Auf den Stufen des Monuments lagert das Sinnbild der Kraft, ein mächtiger Löwe, und neben ihm thront sich, an ihn lehnend, die Geschichte, eine majestätische Frauen¬gestalt, die mit ihrem Griffel die großen Taten der verflossenen Jahre ver-zeichnet. Bei dem Moltkedenkmal kommt dem Sassenberger Meister diese eigen¬tümliche Verbindung von Schlichtheit und Eleganz zugute, die seine Arbeit auszeichnet. Der Charakter des großen Schweigers und Schlachtenlenkers lag Uphues, und er hat mit der Wiedergabe ein Meisterwerk geschaffen. Später hat er dann noch ein Moltkestandbild für Berlin gemacht.
Uphues war ein außerordentlich dankbarer Mensch. Das Münsterland hatte ihn abgelehnt. In Düren hatte er durch Schöllers zuerst die Förderung gefunden, die er verdiente, und Philipp Schöller hat er auf dem Dürener Kirchhof ein Denkmal gemeißelt, wie es wenige Sterbliche haben. Er hat versinnbildlicht, dass das Leben dieses Mannes in rastloser, von reichen Erfolgen gekrönter Arbeit und gro߬zügigen Werken der Nächstenliebe verflossen ist. Aus einer mächtigen Wand von weißem Tiroler Marmor wachsen in kräftigem Hochrelief zwei lebensgroße Figuren heraus, die Arbeit und die Nächstenliebe. Sie reichen sich über dem Schöllerschen Wappen die Hand, und durch diese Vereinigung erwachsen aus dem Grabe stets von neuem die Zeichen der Verehrung und Liebe, versinnbild¬licht durch einen von Rosen durchwachsenen Lorbeerbaum, der aus dem Fuß des Denkmals an das Wappen heranwächst. Die Arbeit ist ein Jüngling, ein Bild von Lebenskraft, muskulös, nur mit einem Schurzfell bekleidet. Die Frauengestalt der Nächstenliebe musste damals völlig bekleidet sein, da ein Frauenbein oder gar eine Brust nicht unbekleidet dargestellt werden durfte. Indessen treten die schönen Formen des Körpers auch unter dem leichteren, in edlem Faltenwurf fließenden Gewande hervor. Über dem ganzen thront als alter, hagerer, unbeklei¬deter Mann mit lang herabwallenden Kinnbart die Gestalt des Kronos, der rätsel¬haft sinnend in die Weite schaut und ewig wandelnd an diesem Grabe haltgemacht hat, die Hände über die zusammengedrückten Knie gelegt.
Es gibt Kunstkritiker, die behaupten, dies Grabdenkmal sei das schönste Kunst-werk, das der große Sassenberger Meister geschaffen habe. Er hatte allen Grund dazu, hier sein Bestes zu geben und er war der Mann dazu.
Die Glocke 6.4.1941 Nr. 95
